Takis Würger - Stella
REZENSION
Rezensionsexemplar des Hanser Verlages |
Cover: 5/5
Schreibstil: 5/5
Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
INHALT
Friedrich ist ein stiller junger Mann der in der Schweiz aufwächst. Durch einen Unfall wird er früh im Leben entstellt und erfährt danach kaum mehr Liebe von seinen Eltern. Als junger Mann beschließt er nach Berlin zu reisen um rauszufinden ob die Gerüchte stimmen und Juden im Möbelwagen abtransportiert werden. In einer Berliner Zeichenschule trifft er die junge und hübsche Kristin. Sie ist anders, geheimnisvoll. Eines Tages steht Kristin misshandelt vor seiner Tür und offenbart: sie heißt gar nicht Kristin. Sie heißt Stella Goldschlag und ist Jüdin. Um ihre Familie vor dem Tod zu retten soll sie die Verstecke anderer Juden verraten und zur Greiferin werden.
MEINE MEINUNG
Der Schreibstil von Takis Würger ist etwas sehr neues für mich. Er schreibt sehr direkt, bringt alles auf den Punkt und verschwendet keine Worte an unnützen Ausschweifungen oder Beschreibungen. Er schreibt Friedrich zwar aus der Ich Perspektive, aber vieles im Präteritum. Das ist mir bei einem Buch noch nie aufgefallen, aber es passt zu der Geschichte unglaublich gut. Durch diesen Schreibstil bringt er unglaublich viel Emotion rüber. In der Danksagung erwähnt er das ihm gesagt wurde das er 'ohne Gefühl oder Emotion' schreibe, dies kann ich nicht bestätigen. Er hat nur keinen 0815 Zugang zu der Geschichte. Durch diese direkte Schreibweise wird einem die Bedrohung dieser Zeit nahe gebracht die damals hinter jeder Ecke stecken musste. Das Setting ist kalt und dunkel, aber genau so stelle ich mir die Zeit des Krieges vor. Es war zu der Zeit kein Platz für rosige Gedanken und überschwängliche Liebesbekundungen.
Ein sehr prägnanter Satz ist für mich das Telegramm von Friedrich an seine Eltern:
Noch in Berlin. Verliebt. Traurig
Klar, direkt, auf den Punkt gebracht.
Die Handlung dreht sich um das Leben von Friedrich. Seine Kindheit in der Schweiz, wie er entstellt wird, wie er nach Berlin zieht und was er dort erlebt. Friedrich ist eine eher schwache Person, steht ganz unter der Fuchtel der Mutter und will es ihr unter allen Umständen recht machen. Gleichzeitig ist er aber auch ein sehr emphatischer Mensch und versucht allem und jeden zu helfen. Er steht nicht für sich ein, will er doch das es den anderen immer gut geht.
Die Kapitel beginnen immer mit einem Monat in einem bestimmten Jahr in welchem die historisch wichtigsten Ereignisse aufgelistet werden. Ein kleiner Geschichtlicher Einblick. Ebenfalls gibt es kleine Passagen mit Zeugenaussagen über bestimmte Ergreifungen. Erst ab der Mitte des Buches habe ich verstanden das es sich dabei um Gerichtliche Aussagen gegen STELLA handelt. Das sie die Angeklagte ist.
Die Kapitel um Friedrich sind kurz, aber prägnant geschrieben. Der Autor kommt schnell zum Punkt der Geschichte und verschwendet keine unnötige Zeit. Wir lernen Kristin kennen, die unglaublich Geheimnisvoll ist und die man nicht so richtig zu begreifen bekommt. Wer ist diese Frau wirklich? Sie ist eine sehr starke und direkte Frau, die Friedrich genau sagt was er zu tun hat und er lässt sich von ihrer stärkeren Persönlichkeit leiten. Ich glaube er hat Angst ihre Zuwendung zu verlieren wenn er ihr nicht die Welt zu Füßen legt, und Kristin nutzt diese Schwäche zu ihren Gunsten aus. Ich glaube erst später wird den beiden klar das sie Gefühle für den anderen hegen, am Anfang war es eher ein ''nehmen um zu kriegen''. Mit dieser Erkentniss wendet sich die Dynamik. Friedrich wächst, steht mehr für sich und Kristin ein, will sie beschützen. Kristin fängt an ihre Maske fallen zu lassen, findet ihren Halt in der Welt.
Dann die Wendung. Kristin ist nicht Kristin, sondern Stella. Eine Jüdin. Eine Gejagte. Doch sie soll zur Jägerin werden. Um ihre Familie vor dem Tod zu bewaren soll sie ihres gleichen Verraten. Sie wendet sich an Friedrich, vertraut sich ihm an und er versucht ihr zu helfen. Will mit ihr fliehen, versucht ihr Anker zu sein. Er möchte nicht das sie andere Leute ausliefert. Er versteht den Judenhass nicht, versteht diesen Krieg nicht. Er möchte nicht das Stella ein Teil dieser Welt wird. SPOILER Die Karten wenden sich. Nun ist es Stella die nicht stark genug ist. Sie beugt sich der Regierung, verrät ihres gleichen. Ich glaube es war für sie der einfachste Weg. Sie wollte nicht weglaufen, sie wollte ihr Leben nicht ändern. Der einfachste Weg war der Regierung das zu geben was diese von ihr wollten und ihr Leben halbwegs gleich und ''normal'' weiter zu leben. Doch Friedrich kann mit dieser Entscheidung nicht leben und hier merkt man wie er sich verändert hat. Er steht für sich ein, beweist stärke und verlässt Stella. Er kann unter diesen Umständen nicht mit ihr Zusammensein, egal wie sehr er sie liebt, egal wie sehr er sie braucht. SPOILER ENDE.
Ein Satz der mich tief getroffen hat und sehr nachwirkt:
'Ich weiß nicht, ob es falsch ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten.'
Auch ich weiß nicht ob es richtig oder falsch von Stella war. Ich kann verstehen das sie ihre Eltern retten wollte. Vielleicht hat sie wirklich geglaubt das richtige zu tun. Wahrscheinlich würde ich das gleiche für meine Familie tun, obwohl ich durch diese Handlung anderen Menschen das gleiche antun würde. Aber wahrscheinlich würde meine Familie gar nicht wollen das ich soetwas tue. Warum Stella weiter gemacht hat obwohl ihre Eltern ,trotz allem, getötet wurden, kann ich mir nicht erklären. Ich glaube der Krieg hat sie zerbrochen. Es war schlicht die einfachste Lösung weiter zu machen. Nichts ändern zu müssen. Der Wahrheit nicht ins Gesicht blicken zu müssen.
FAZIT
Das Buch hat mich sehr berührt. Es wird nie leichter etwas über diese schreckliche Zeit zu lesen, hören oder zu sehen. Wir können alle froh sein das nicht selber miterleben zu müssen. Das Buch regt zum nachdenken an: würde ich das selbe tun wie Stella? Wie würde ich handeln?
Der Schreibstil von Takis Würger ist positiv anders, trifft tief und passt hervorragend zur Thematik. Ich kann dieses Buch allen empfehlen die etwas ernsteres, reiferes Lesen möchten. Doch der Inhalt ist wahrlich keine leichte Kost.